Die
Photoperformance Schau
Mich An ... Olhe
para Mim ... von
Terezinha Malaquias (Onésimo
Alves Pereira,
brasilianischer
Künstler
und Fotograf)
Seit
dem 8. Februar 2017 fügen die täglichen Photoperformances /
Selbstporträts Terezinha Malaquias' auf Instagram immer neue
Informationen über die Identität und die Fragestellungen der
Künstlerin hinzu, in ständiger Bereicherung ihres Universums. Mal
bekräftigen ihre Bilder schon bekannte, mal neue Zeichen, die sich
in die Fülle ihrer Referenzen einfügen, sich vermehren und
allmählich sichtbare Form annehmen.
In
ihren Photoperformances reflektiert die Künstlerin das Konzept der
Identität. In ihnen bringt uns die afrobrasilianische Künstlerin,
Kunstmodell und Immigrantin (sie wohnt in Deutschland), zum
Nachdenken darüber, wie unser zerstreuter Blick, in Gedanken
versunken oder auf uns selbst gerichtet, Personen und selbst ganze
soziale Gruppen in eine Art von Anonymität und sozialer
Unsichtbarkeit verbannt. Die Künstlerin benutzt deshalb immer den
Hashtag "Sichtbarkeit" als eine Form, Pluralität im Blick
(...) einzufordern.
Unentbehrliche
Berufe wie Müllleute, Straßenkehrer, Straßenverkäufer, und
Obdachlose, die auf der Straße leben, sind ständige Opfer unseres
zerstreuten Blickes und / oder unserer Vorurteile. Ja, Zerstreutheit
und Vergessen können Anzeichen für Vorurteile sein oder sie
hervorrufen. Wenn der Blick einer Person Verachtung ausdrückt, kann
ihr die andere Seite das gleiche Gefühl entgegenbringen.
Jeder
Mensch ist ein Geschichtenerzähler (...) und oft weigern wir uns,
die Geschichten, die sie uns in ihrem Alltag erzählen, zu hören
oder ihnen zuzusehen. Auch, wenn es nicht darum gehen kann, stehen zu
bleiben und mit allen zu reden, ist es notwendig, ohne irgendwelche
Vorurteile darüber zu nachzudenken, dass nichts uns von niemandem
trennen kann. Dass wir alle Menschen sind, leiden und glücklich sein
wollen.
In
einer Welt, in der immer mehr Mauern entstehen, kann der zerstreute,
vergessene und folglich vorurteilsvolle Blick die gefährlichste
dieser Mauern sein.
In
ihren Photoperformances vervielfältigt sich die Künstlerin. Mal ist
sie eingehüllt in bunte oder goldene Stoffe, die auf ihre
afrikanischen und brasilianischen Wurzeln verweisen (...) und ihre
Situation als Frau kommentieren. Mal scheinen die Objekte oder
Wearable Art mit ihrer Haut zu verschmelzen und so ihre körperliche
Natur als Künstlerin oder Performerin zu potenzieren und deren
Funktion als Aktmodell zu problematisieren. Ja, denn paradoxerweise
kann auch das Aktmodell Opfer der Unsichtbarkeit werden. In der
Bemühung, einen Menschen mit all seinen Details zu porträtieren,
die ihre Aufmerksamkeit beanspruchen, können die Kunststudierenden
leicht vergessen, dass vor ihnen jemand ist, der viele Geschichten
erlebt hat. Ein lebendiger Körper voller Geschichten, und nicht ein
unbeseelter, toter Körper.
Erinnerung
und Vergessen können sich ineinanderfügen oder miteinander
kollidieren, wenn wir uns erinnern (oder vergessen), dass jeder
Mensch ein Bewahrer unzähliger Geschichten ist. Und dass diese
Geschichten nicht nur seine eigenen sind, sondern der Menschheit
gehören. Menschen mit Verständnis anschauen bedeutet, diese
Erzählungen zu teilen (...).
Die
Mauern des Unverständnisses müssen durch unseren barmherzigen Blick
eingerissen werden.
Terezinha
Malaquias' Bilder führen uns Erzählungen ohne Zahl vor Augen.
Rasante Flüge (zum Beispiel spezifischere oder privatere
Erörterungen, (...) die in ihrer Funktion für das Aktmodell
relevant sind), oder Panoramaflüge (wenn die Künstlerin
allgemeinere Fragen angeht, mit Bildern, die sich auf das weibliche
Universum beziehen), die in uns die Geschichte der westlichen,
brasilianischen oder afrikanischen Kunst wachrufen. Oder auch
allgemeine und spezifische Aspekte zusammen (...) in einem Bild. Alle
Menschen haben ihre Geschichten, obwohl diese Geschichten allen
gehören können.
Anhand
der schon erwähnten Stoffe, Objekte oder Wearable Art kann sich die
Performerin (selbst, wenn sie sich dessen nicht vollständig bewusst
sein sollte) auf Ikonen der Modernen Kunst beziehen, wie auf
Alexander Calder, wenn sie Draht benutzt, um Objekte zu schaffen, die
ihren Körper umhüllen. Auf Marcel Duchamp und seine Ready Mades,
auf Dadaismus und Pop-Art, wenn sie Objekte wie Toilettenpapierrollen
verwendet (aus denen sie überdimensionale Halsketten macht),
Bürsten, Bügel, Küchengeräte wie Messer und Pfannenwender,
Gitarren, etc. Oder an Artur
Bispo do Rosário mit
Objekten / Wearable
Art
als Referenz auf seine besondere Art und Weise, mit Stickereien zu
schreiben / zu zeichnen. Über dieser Mischung aus Referenzen schwebt
ein tropicalistisches
Parfüm, eine gewisse allgemeine brasilianische Atmosphäre.
Die
lange Sequenz von Photoperformances mit Kleiderbügeln ist
möglicherweise eine Anspielung auf die Bedingungen, unter denen
Frauen in einer kapitalistischen Gesellschaft leben (als
Konsumentinnen und nicht immer als Produzentinnen); oder im
Besonderen auf ihre Arbeit als Modell. Blumen (...) können wie die
Zeichen, die auf die tägliche Hausarbeit und die Küche Bezug nehmen
(Gabeln, Messer, Pfannenwender, ..) kritische Kommentare zu
Stereotypen über Frauen, oder auch zur Künstlerin als Modell
hervorrufen. Die wiederholte Verwendung von Blumen beschränkt sich
nicht auf deren dekorative Funktion, sondern kann ihre Kraft deutlich
machen, (...) den weiblichen Körper der Performerin zu betonen.
Die
Farbe ist ein grundlegendes Element in Terezinha Malaquias'
Photoperformances. Sei es durch die Stoffe mit auffälligen Farbtönen
und Drucken, die sie umhüllen, sei es durch Objekte, die mit ihrem
Körper verschmelzen, oder durch die Blumen, die sie einrahmen. Die
Farben betonen und stärken noch ihre Formen und ihre schwarze
Hautfarbe (...).
In
jeder Photoperformance scheint die Künstlerin auf Einzigartigkeit
und Individualität Anspruch zu erheben. Aber nicht als Form der
Isolierung, sondern ganz im Gegenteil als eine Art Beitrag zur
Vielfalt von Geschichten. Das reiche Archiv der Erzählungen muss
ständig erneuert, recycelt und restauriert werden. Wirkliche Kunst
ist nie egozentrisch oder egoistisch, sondern immer freigebig und
gutherzig.
Terezinha
Malaquias erzählt mit ihren Photoperformances visuelle Geschichten,
als Modell mit großer Lebendigkeit und Schönheit.
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